Nichtstun als Prävention – Beitrag zum World Mental Health Day 2025

Lesezeit: 3 Minuten

Heute ist der World Mental Health Day (WMHD). Dieser findet jedes Jahr am 10. Oktober statt und wurde von der World Federation for Mental Health ins Leben gerufen, unterstützt von der WHO. Ziel ist es, weltweit das Bewusstsein für psychische Gesundheit zu stärken, Vorurteile abzubauen und zu mehr Offenheit im Umgang mit psychischen Erkrankungen zu ermutigen. Thema des WMHD 2025: «Access to Services – Mental Health in Catastrophes and Emergencies», mehr dazu hier.

Letztes Jahr durfte ich an diesem Tag einen Aufklärungsvortrag an der Uni Bern halten – hier geht’s zum Onlinevortrag. Dieses Jahr habe ich mich im Rahmen dieses Tages intensiv mit dem Thema des Nichtstuns auseinandergesetzt. Aber warum gerade dieses Thema? Was es heisst, psychisch krank zu sein, habe ich während meiner Depression selbst erlebt. In meiner Arbeit schreibe ich viel darüber, was mir geholfen hat, diese zu überwinden, und wie sich mein Leben seitdem verändert hat. In diesem Zusammenhang ist für mich das Nichtstun so ein wichtiges Thema (geworden), denn es kann Depression oder auch andere psychische Krankheiten verhindern.

Eine unterschätzte Bedrohung

Lass mich dies erklären: Depression entsteht selten «einfach so». Viel häufiger ist sie das Ergebnis einer chronischen Überforderung, innerer Erschöpfung und dem Gefühl, nicht mehr zu genügen – egal, wie sehr man sich anstrengt. Lass mich dies erklären: Depression entsteht selten «einfach so». Viel häufiger ist sie das Ergebnis einer chronischen Überforderung, innerer Erschöpfung und dem Gefühl, nicht mehr zu genügen – egal, wie sehr man sich anstrengt. Wir leben in einem System, das Menschsein auf Funktionieren und Produktivität reduziert. Nichtstun wird abgewertet – sein Wert für uns als Gesellschaft ist kaum erkannt. Dass dieses Thema aktueller denn je ist, zeigen auch Zahlen und Einschätzungen aus Medien und Wissenschaft:

  1. «Die WHO geht davon aus, dass psychische Erkrankung in den kommenden Jahren das grösste gesundheitliche Thema für die Gesellschaft in Westeuropa wird.» → Quelle
  2. «Im Jahr 2030 werden drei psychische Krankheiten weltweit unter den ‹Top 5› der häufigsten Krankheiten liegen: Depressionen werden die häufigste Krankheit sein…» → Quelle
  3. «Die WHO geht davon aus, dass Depressionen bis 2030 die grösste Krankheitslast in den Industrienationen verursachen – noch vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen.» → Quelle
  4. «Insgesamt waren 2023 in etwas mehr als der Hälfte der Fälle der Beziehenden von beruflichen Eingliederungsmassnahmen (53 %) psychische Krankheiten die Invaliditätsursache…» → Quelle

Warum Nichtstun Depression vorbeugen kann

Nichtstun hilft, Depression vorzubeugen – weil es das ständige Müssen unterbricht, das uns antreibt und zugleich ausbrennt. Konkret passiert dabei Folgendes:

  1. Das Nervensystem beruhigt sich: Chronischer Stress hält den Körper in permanenter Alarmbereitschaft. Nichtstun unterbricht diesen Zustand – der Körper darf in den Regenerationsmodus wechseln. Fast in jeder Sekunde merke ich, wie sich mein Nervensystem beruhigt, wenn ich mir abends 10-15 Minuten Nichtstun erlaube.
  2. Das Gedankenkarussell stoppt: Statt permanent zu planen, bewerten und optimieren, entsteht Raum für Präsenz. Der ungeschulte Geist redet sonst oft negativ auf uns ein. Nichtstun schafft die Möglichkeit, unangenehme Gefühle nicht wegzudrücken, sondern ihnen Raum zu geben – was langfristig Heilung ermöglicht.
  3. Selbstwahrnehmung kehrt zurück: Du spürst wieder, was du wirklich brauchst – statt nur zu funktionieren. Für mich war ein Tag ohne sinnvolle Aufgabe früher der Horror. Heute weiss ich: Lieber jeden Tag 15 Minuten Nichtstun als 2 Wochen Ferien. Gibt mir mehr Energie und Ruhe.
  4. Der innere Leistungsdruck löst sich: Wenn ich mir erlaube, dass ich gerade nichts muss – keine Gedanken daran, was jetzt noch oder später noch sein müsste – dann erlebe ich echte innere Freiheit. Genau das Gegenteil von dem, was zu Erschöpfung und Depression führt.

Nichtstun schafft Raum – für Pause, für Präsenz, für uns selbst. Und genau dieser Raum kann heilsam sein, bevor Erschöpfung zur Krankheit wird. Schon 10-15 Minuten täglich können einen Unterschied machen.

Die Herausforderung: Was ist Nichtstun überhaupt?

Doch was ist es genau und wie kann «es» gelernt werden? Das ist mein Fokusthema für den WMHD 2025. Denn Nichtstun ist nicht «Zeit für sich haben» oder «ein Buch lesen» – es ist ein Zustand vollkommener Untätigkeit, sowohl im Aussen als auch im Innen. Eine stille Form von Gesellschaftskritik. Eine Haltung, die sagt: Mein Wohlbefinden steht über der Logik der Leistung.

Dass das Thema gerade heute wichtig ist, zeigt auch die Aufmerksamkeit, die es in verschiedenen Publikationen erhält. Zwei Magazine beleuchten das Thema Nichtstun im Detail, und auch die KPT-Krankenkasse widmete ihre Ausgabe 2/2025 dem Fokusthema «Ruhe»: KPT-Magazin online lesen.

Wir fliegen zum Mond, können Regen auf die Minute genau vorhersagen und können Stress per App/Video messen – aber echte innere Ruhe? Die finden wir kaum. Genau deshalb teile ich meine Gedanken als «Rezept für innere Ruhe» – garantiert ohne Nebenwirkungen.

Was genau Nichtstun ist, warum es so schwerfällt, und wie du es Schritt für Schritt lernen kannst, erfährst du ausführlich im Blog-Artikel Wieso Nichtstun nicht nichts ist sowie in dieser Podcast-Episode.

Und nein: Bei mir gibt es keinen Kurs, der dir innere Ruhe verspricht, nur um dich dann wieder zu beschäftigen. Nichtstun ist für mich eine stille Form von Gesellschaftskritik. Bist du bereit, diese Haltung einzunehmen?


Austausch gesucht?

Wenn du Fragen zu deinem (Sport)verhalten hast oder Unterstützung möchtest, melde dich gerne bei mir. Gern unterstütze ich dich auf deinem Weg. Hier mehr erfahren.


Beitrag veröffentlicht

von

Letzte Änderung

Kommentare

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert